Automatisierungslösung trotzt Hindernissen

C 42 U RS 2 | Piesslinger | automatisierte Teilefertigung

Ein aktuell sehr trendiger Werkstoff spielt in Molln eine wesentliche Rolle, denn das dort ansässige Familienunternehmen Piesslinger ist Spezialist für die Veredelung von Aluminium. 

Neben der Oberflächenbehandlung beherrscht man auch andere Fertigungsverfahren. Im Bereich der mechanischen Bearbeitung kann man seit heuer mithilfe des Frässpezialisten Hermle zahlreiche Produkte automatisiert und zum Teil mannlos bearbeiten. Aufgrund nicht alltäglicher Voraussetzungen war dies jedoch absolut kein Standard-Projekt. Von Ing. Robert Fraunberger, x-technik.  

Die Firma Piesslinger ist einer der ältesten Betriebe in Österreich. Seine Wurzeln reichen bis ins Jahr 1553 zurück, als der damalige Sensenschmiedebetrieb in Molln (OÖ) gegründet wurde. Solch ein langes Bestehen als Familienbetrieb (Anm.: bereits in der 11. Generation) ist und war – so die Philosophie von Piesslinger – nur durch Liefern von außergewöhnlicher Qualität möglich.  

Seit nun mehr als fünf Jahrzehnten gelten die Oberösterreicher als Spezialisten für die Veredelung von Aluminium. Mit neuesten Technologien und über 400 qualifizierten Mitarbeitern liefert Piesslinger heute ästhetische und technisch hochwertige Aluminiumkomponenten und Oberflächentechnologie. „Die 1950 errichtete erste Eloxalanlage für industrielle Anwendung war die erste ihrer Art in Europa. Sie gilt als Basis für das Unternehmen in seiner heutigen Form“, erklärt Ing. Roland Hackl, Spartenleiter Aluminium Components bei Piesslinger. 

In den 60er Jahren entstand dann eine Fertigungslinie für die mechanische Bearbeitung von Aluminium. Der Bereich Oberflächentechnik wurde schließlich 1985 mit dem Bau der ersten Pulverbeschichtungsanlage vervollständigt. 

 

Automatisierungsprojekt als Standortsicherung 

In der Sparte Alukomponenten sind bei Piesslinger rund 90 Mitarbeiter damit beschäftigt, hauptsächlich Aluminium auf Profil- und Blechbasis auch mechanisch weiter zu verarbeiten. Die Auftraggeber kommen dabei aus den Bereichen Sanitär, Medizintechnik, Sport sowie Audioanlagen. „Wir bewegen uns zum Großteil im hochpreisigen Sektor – Großaufträge sind somit bei max. 100.000 Stück im Jahr, wobei typische Fertigungslöse im Bereich von 200 bis 1.000 Stück liegen“, veranschaulicht Hackl. Als absolute Stärke sieht der Spartenleiter die umfangreichen Fertigungsmöglichkeiten angefangen von der Zerspanung über das Stanzen, Biegen oder Abkanten bis hin zu den nachfolgenden Oberflächenbearbeitungen durch Schleifen, Strahlen, Polieren, Bürsten und natürlich Pulverbeschichten bzw. Eloxieren.

In der mechanischen Bearbeitung wollte man bereits vor rund drei Jahren in die automatisierte Teilefertigung einsteigen. „Wir haben es in unserem Business vor allem mit Mitbewerbern zu tun, die zumeist mit einem wesentlich geringeren Lohnniveau agieren. Ziel war es deshalb die Zerspanung von gewissen Blech- bzw. Profilteilen durch Automatisierung wirtschaftlicher herstellen zu können und gleichzeitig damit das neue Bearbeitungszentrum auslasten zu können“, so Hackl.  Vor allem die Nutzung von mannarmen bzw. mannlosen Schichten schien sehr interessant.

Gleichzeitig definierte er einerseits die eher kleinen Stückzahlen, andererseits die großen Toleranzen der Profilteile als nicht zu unterschätzende Herausforderung des Projekts. „Wenn man Teile aus dem Vollen fräst, ist eine Automatisierung der Prozesse mit Sicherheit einfacher, da man es immer mit den gleichen Voraussetzungen zu hat. Als große Schwierigkeit in unserem Projekt hat sich herausgestellt, dass wir gerade bei unseren Strangpressprofilen Toleranzen von +/- 5/10 mm aufweisen. Trotzdem müssen die Teile letztlich auf +/- 1/10 mm genau gefräst werden. Diese Toleranzunterschiede mussten durch entsprechende Vorrichtungen und einem intelligenten Spannkonzept abgefedert werden“, geht der Spartenleiter für Aluminium ins Detail.

  • Mitarbeiter beim steuern der Roboterzelle über den Leitrechner
    Die Roboterzelle wird über einen Leitrechner gesteuert.
  • Der Roboter, welcher Platinen, Paletten oder auch Einzelteile in die C 42 übergibt
    Der Roboter kann sowohl Platinen, Paletten oder auch Einzelteile in die C 42 übergeben und entnehmen. Somit ist eine sehr flexible Auslastung der Zelle möglich.
  • Blick in das Innenleben einer Hermle-Maschine
  • Innenleben einer Hermle-Maschine mit dem Vakuumgreifer der Firma J. Schmalz

Zuschlag für optimales Konzept 

Im Evaluierungsprozess waren zwar mehrere Werkzeugmaschinenhersteller mit im Boot, die Firma Piesslinger hat sich letztlich aber für den Frässpezialisten Hermle entschieden, der für die geforderte Produktpalette von fünf speziellen Teilen, ein ausgereiftes und prozesssicheres Konzept erarbeiten konnte. Und dies sogar mit einer Standard-Lösung, bestehend aus einer Hermle C 42 sowie dem Robotersystem RS 2 in der höchsten Ausbaustufe. 

„Ausschlaggebende Gründe waren sicherlich das ausgezeichnete Renommee von Hermle in Österreich – nicht zuletzt durch zahlreiche umgesetzte Automatisierungsprojekte –, das bekannt gute Servicekonzept mit hoher Ersatzteilverfügbarkeit sowie die flexible Komplettlösung aus einer Hand“, begründet Roland Hackl die Entscheidung. Das angesprochene gute Service kennt man aus eigener Erfahrung, denn im Werkzeugbau bei Piesslinger ist eine Hermle-Fräsmaschine seit vielen Jahren zuverlässig im Einsatz. Auch von einer Werksbesichtigung in Gosheim war man äußerst positiv angetan. 

 

Standardisierung zahlt sich aus 

Bei Hermle ist das Thema Automatisierung schon lange fixer Bestandteil im Produktspektrum. Was mit einfachsten Automations- und Handhabungslösungen begann, wurde bereits Mitte der Neunziger Jahre in eine eigene Tochtergesellschaft, die HLS Hermle Systemtechnik GmbH, überführt. „Egal ob Palettenwechsler, Palettenspeicher, Zusatzmagazine, Handlingsysteme, Robotersysteme oder komplexe Turn-key Projekte, wir können dem Kunden immer eine passende Lösung für die Automatisierung unserer Bearbeitungszentren liefern“, bringt sich Wolfgang Krinzinger, zuständig für den Vertrieb von Hermle in Österreich, ein, der mit Ralf Hipp auch einen absoluten Experten für alle Automatisierungsprojekte an der Seite hat. 

Die Königsklasse der Automatisierungslösungen von Hermle stellen sicherlich Robotersysteme dar. „Mit unseren verschiedenen Robotersystemen bieten wir für fast jeden Anwendungsfall eine passende Automatisierungslösung an – egal ob für das Palettenhandling, das Wechseln von Werkstücken aus Matrizen oder ein direktes Teilehandling“, veranschaulicht Hipp die unterschiedlichen Möglichkeiten. Ebenso ist ein Wechsel zwischen Einfach- oder Doppelgreifer bzw. unterschiedliche Magazinauslegungen angepasst an kundenindividuelle Ansprüche möglich. Der Vorteil für die Kunden liegt dabei klar auf der Hand: „Ein Ansprechpartner sowohl für Bearbeitungszentrum als auch Automatisierung, größtmögliche Flexibilität in der Auslegung und die Möglichkeit neue Produkte einfach und selbständig einzufahren“, bringt es Wolfgang Krinzinger auf den Punkt. 

Eine Aluminium-Platine wird mit einer Hermle-Maschine bearbeitet
Aus einer Aluminium-Platine mit 600 x 500 mm werden bei Piesslinger sieben Einzelteile gefräst und bearbeitet. Der Prozess wurde gemeinsam mit Hermle komplett automatisiert.

Platinenfertigung als Herausforderung 

Zudem passt das Teilespektrum bei Piesslinger optimal zur neuen Hermle-Lösung. So gut, dass nicht nur die fünf vorgegebenen Produkte, sondern auch weitere Teile bereits über die Hermle C 42 und das Robotersystem RS 2 laufen. „Generell können rund 70 bis 80 % unserer Bauteile auf der Hermle C 42 bearbeitet werden. Unsere Fertigungsstrategie verlagert sich daher aktuell sukzessive in Richtung Automatisierung – daher ist bereits eine Ergänzung der Anlage um eine weitere C 42 angedacht“, zeigt sich Roland Hackl sehr zufrieden. 

Ein gutes Beispiel für die angesprochene Kapazitätserweiterung ist die eigentlich nicht Teil des Projektes gewesene automatisierte Platinenfertigung. Piesslinger stellt unter anderem auch Aluminiumteile für die Sanitärindustrie her. Dazu werden aus einer Alu-Platine von 600 x 500 mm sieben Teile herausgefräst und unterschiedlich bearbeitet. „Dabei war die Herausforderung nicht das Handeln der Platinen selbst, sondern die sieben bis acht fertigen, relativ kleinen Einzelteile nach der Bearbeitung prozesssicher aus der Anlage zu bekommen“, skizziert Wolfgang Krinzinger die nicht alltäglichen Gegebenheiten. Auch das Stapeln der Platinen mit Zwischenlage war in der Handhabung und auch softwaretechnisch eine Herausforderung. 

Gelöst wurde das Handling mit einem Vakuumgreifer der Firma J. Schmalz, der seitens Hermle auf diese spezielle Anwendung bei Piesslinger noch optimiert werden musste. „Aufgrund der gelungenen Umsetzung von Hermle laufen jetzt auch die Platinen über unsere Automatisierungszelle. Da wir die Roh- und Fertigteile auch innerhalb der Zelle stapeln können, erzielen wir gerade damit eine enorme Auslastung“, bringt sich Fertigungsleiter Roland Berger ein. 

 

Ziele mehr als umgesetzt 

Die Kapazität einer Automatisierungsanlage ist klarerweise immer teileabhängig, aufgrund des ausgewählten Produktspektrums bei Piesslinger im konkreten Fall sehr wirtschaftlich: „Wenn wir unsere Strangpressprofile fertigen, dann liegen wir bei rund 18 Stunden – wenn sich lediglich Platinen in der Anlage befinden, können wir rund 200 Stunden nahezu mannlos fertigen“, freut sich Berger. 

Dass man die neue Anlage seit der Lieferung im März 2019 voll auslasten kann, ist sicherlich der hervorragenden Zusammenarbeit und dem großen Know-how seitens Hermle bei Automatisierungsprojekten geschuldet: „Für uns ist die neue Anlage ein Meilenstein. Wir konnten damit einen großen Schritt in die Zukunft gehen und eine automatisierte Teilefertigung sicherstellen, die wiederum den Standort stärkt“, betont Roland Hackl zum Abschluss. 

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